Das beständige, laute Ächzen eines vor Schmerzen zusammengekrümmten Mann[es] im Bett neben mir, die offene Schnittwunde am Arm einer schwangeren Frau vor mir oder auch das von Erbrochenem übersäte Bettlaken schräg gegenüber. All das waren Eindrücke in der Notaufnahme des Krankenhauses in Kalaleh, die ich vorgestern Abend, also am Heiligen Abend, eher unfreiwillig sammelte. In dem etwas behilfsmäßig [sic!] zusammengeschusterten Zimmer war Platz für sieben Betten; die blauen Sichtschutzvorhänge blieben in dem hektischen Treiben häufig geöffnet. Die Ärzte und Schwestern hatten viel zu tun und ich konnte live miterleben, wie der Arm vor mir genäht und der stöhnende Herr neben mir über seine Nase mit Brechmittel versorgt wurde. Später trat noch eine uralte Dame in gebeugtem Gang ein und klagte mit rauchiger Stimme über ihr Leid. Auch ich wurde nach und nach versorgt, bekam eine aufpeppelnde Kochsalzlösung verabreicht und wurde zum Blut- sowie zum Urintest und danach zum Röntgen gebeten. Glücklicherweise blieben die Untersuchungen ohne Befund, sodass es bei der Diagnose einer leichten Gehirnerschütterung blieb und ich das Krankenhaus nach ungefähr zwei Stunden wieder verlassen konnte.

Am Vormittag desselben Tages waren Xändi und ich frohen Mutes zu einem gemeinsamen Ausflug mit Sale, dem äußerst sympathischen Gastgeber der Jurten-Pension, aufgebrochen. Zunächst besuchten wir seinen Bauernhof, streichelten kleine Ziegen und bestaunten zwei ausgewachsene Kamele. Ziemlich bald standen zwei Pferde für uns parat und über die Steigbügel schwangen wir uns zum ersten Mal überhaupt in unserem Leben auf den Sattel eines Rosses. In gemütlichem Trab durchquerten wir eine wunderschöne Schlucht und waren erneut umgeben von diesen einzigartigen Hügeln. Nur der von Xändi berittene Schimmel wollte nicht so ganz gehorchen, neigte immer wieder seinen Kopf herunter zum Gras und brach einmal sogar aus, beschleunigte unerwartet schnell und ließ sich von der etwas in Panik geratenen Alex nicht mehr kontrollieren. Erst die steile Wand der Schlucht konnte es zum Stoppen bewegen.
Als wir die Kuppe eines Hanges und damit unseren Rastplatz für die Mittagspause erreicht hatten, führte Sale uns seine Reitkunst vor und gab uns erneut einige Tips [sic!] zum Bedienen der Zügel – ohne gemeinsame Sprache war es jedoch nicht ganz leicht, alles zu verstehen. Nun wollte ich ausprobieren, schwang mich auf das weiße Ross, das vorher noch von Xändi beritten worden war. Ganz alleine wagte ich mich in langsamen Schritten entlang des Kammes bis zum höchsten Punkt der Umgebung vor und genoss das wahnsinnige Panorama, während ich auf dem Rücken des Pferdes saß. Da ich bereits etwas Vertrauen gefasst hatte, wurde ich auf dem gerade einmal 200m weiten Rückweg etwas mutiger, wies dem Schimmel mit einigen „Tschu“-Rufen und dem Zusammenschnalzen der Zügel an schneller zu werden. Die Trittfrequenz erhöhte sich, ich spürte den stärker werdenden Gegenwind in meinem Gesicht. Und plötzlich, ohne dass ich es gewollt hatte, hob das Pferd ab – wir waren im Galopp und rasten fortan mit hoher Geschwindigkeit über die Hügelkette. Ich war entsetzt und begeistert zugleich. Doch genau in dem Moment, als ich mir darüber Gedanken machte, gleich bremsen zu müssen, merkte ich, wie mein Sattel nach links wegrutschte. In Schieflage geraten hatte ich noch genau einen Sprung des Schimmels Zeit festzustellen, wie misslich meine Lage war. Beim darauf folgenden Aufsetzen war es um mich geschehen. Die Kräfte rissen mich vom Pferd und ich fiel zu Boden, schlug dort zuerst mit dem Rücken und dann mit dem Hinterkopf auf.
Das Augenflimmern legte sich nach einer halben Stunde wieder. Die Kopfschmerzen blieben jedoch und nach etwa einer Stunde setzte eine immer schlimmer werdende Übelkeit ein, sodass irgendwann die Entscheidung gefällt wurde, mich ins 50km entfernte Kalaleh zu bringen. In einem Affenzahn sauste Sale durch die kurvige Strecke und übergab mich auf der Hälfte des Weges an den entgegeneilenden Krankenwagen – eine etwas übertriebene Aktion. Auf der Liege des Ambulanz-Fahrzeuges wurde mein Blutdruck und Puls gemessen, bevor ich eine Sauerstoffmaske aufgesetzt bekam und danach in ein etwas skurriles Gespräch mit dem Sanitäter verwickelt wurde. Er fragte mich über meine Reise und über meine Lebenspläne aus und bat mich am Ende der Fahrt tatsächlich um ein gemeinsames Selfie.
Gestern chauffierte uns Sale, dem der ganze Unfall sichtlich leid tat, bis nach Gonbad, lud uns in einem feinen Restaurant zum Mittagessen ein und setzte uns vor der Wohnungstür von Danishs* Familie ab. Beim Geld wurde es mal wieder kompliziert. Denn für die Behandlung im Krankenhaus, die er bezahlt hatte, wollte er keinen Cent von uns wieder sehen. Das wäre seine Pflicht als Gastgeber gewesen und so blieb es beim vereinbarten Preis für die Unterkunft.
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… und sehe mich als abenteuerfreudigen und neugierigen Reisenden. Dabei faszinieren mich ganz besonders Begegnungen bei der Fahrt per Anhalter, Navigation mit Karte und Grenzübertritte jeder Art.
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