Frau in Tschaddor

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Journal

Unsere Unterkunft erreichten wir gestern mal wieder relativ spät. Unerwartet lang hatte der Bus benötigt, den wir morgens ab Gonbad genommen hatten. Um in das abseits gelegene Dorf namens Ruin zu gelangen, brauchten wir danach noch ein Savari sowie die freundliche Hilfe eines Pkw-Fahrers, den wir für die letzten Kilometer per Anhalter stoppten. Die von kargen Bergen eingefasste Siedlung macht auf uns einen sehr konservativen Eindruck. Jede Frau, die wir bislang hier gesehen haben, war in einen Tschaddor gehüllt. Das ist ein riesiges Tuch, meist in dunklen Farben gehalten, welches vom Kopf abwärts den gesamten Körper verhüllt. Nur das Gesicht bleibt frei. Eine solch restriktive Kleiderordnung ist uns bislang nicht begegnet. Selbst in Gatschi Su e Bala trugen die meisten Frauen lediglich ein Kopftuch und ließen dabei einige Haare zum Vorschein kommen. Das Gebiet, in dem die Turkmenen die Bevölkerungsmehrheit stellen, haben wir mittlerweile verlassen. Unser Gastgeber Hassan* zählt sich selbst zu den Tat.
Der Islam scheint hier in Ruin eine große Rolle zu spielen. Auf die 3000 Einwohner kommen Hassan* zufolge gleich sechs Moscheen. Mehrfach am Tag erklingt der Ruf eines Muezzins und wird gefolgt von einem längeren Monolog auf Arabisch, der ebenfalls über Lautsprecher durch das ganze Dorf vorgetragen wird. Gleich zum Frühstück erklärte uns Hassan*, dass er im Gegensatz zu den sunnitischen Turkmenen dem schiitischen Islam anhängt. In unserem Zimmer hängt ein Bild der Kaaba und ein Pfeil deutet in die Gebetsrichtung nach Mekka. Beim Einkauf im Kiosk nebenan wurde ich sogar gefragt, ob ich Moslem sei.
Unsere Unterkunft erreichten wir gestern mal wieder relativ spät. Unerwartet lang hatte der Bus benötigt, den wir morgens ab Gonbad genommen hatten. Um in das abseits gelegene Dorf namens Ruin zu gelangen, brauchten wir danach noch ein Savari sowie die freundliche Hilfe eines Pkw-Fahrers, den wir für die letzten Kilometer per Anhalter stoppten. Die von kargen Bergen eingefasste Siedlung macht auf uns einen sehr konservativen Eindruck. Jede Frau, die wir bislang hier gesehen haben, war in einen Tschaddor gehüllt. Das ist ein riesiges Tuch, meist in dunklen Farben gehalten, welches vom Kopf abwärts den gesamten Körper verhüllt. Nur das Gesicht bleibt frei. Eine solch restriktive Kleiderordnung ist uns bislang nicht begegnet. Selbst in Gatschi Su e Bala trugen die meisten Frauen lediglich ein Kopftuch und ließen dabei einige Haare zum Vorschein kommen. Das Gebiet, in dem die Turkmenen die Bevölkerungsmehrheit stellen, haben wir mittlerweile verlassen. Unser Gastgeber Hassan* zählt sich selbst zu den Tat.
Der Islam scheint hier in Ruin eine große Rolle zu spielen. Auf die 3000 Einwohner kommen Hassan* zufolge gleich sechs Moscheen. Mehrfach am Tag erklingt der Ruf eines Muezzins und wird gefolgt von einem längeren Monolog auf Arabisch, der ebenfalls über Lautsprecher durch das ganze Dorf vorgetragen wird. Gleich zum Frühstück erklärte uns Hassan*, dass er im Gegensatz zu den sunnitischen Turkmenen dem schiitischen Islam anhängt. In unserem Zimmer hängt ein Bild der Kaaba und ein Pfeil deutet in die Gebetsrichtung nach Mekka. Beim Einkauf im Kiosk nebenan wurde ich sogar gefragt, ob ich Moslem sei.
Die letzten Stunden des Jahres 2018 nach der uns gewohnten Kalenderrechnung laufen. Doch hier in Maschhad, im äußersten Nordosten des Irans, ist davon bislang überhaupt nichts zu spüren und alles deutet darauf hin, dass die kommende Nacht nicht mehr sein wird als der Wechsel vom 10. Auf den 11. Dei des persischen Jahres 1397.
Die letzten Stunden des Jahres 2018 nach der uns gewohnten Kalenderrechnung laufen. Doch hier in Maschhad, im äußersten Nordosten des Irans, ist davon bislang überhaupt nichts zu spüren und alles deutet darauf hin, dass die kommende Nacht nicht mehr sein wird als der Wechsel vom 10. Auf den 11. Dei des persischen Jahres 1397.
Nun komme ich zu den Ereignissen aus Ruin, wo wir uns glücklicherweise dazu entschieden, um eine Nacht zu verlängern. So konnten wir am Sonntag bei schönstem Sonnenwetter die nähere Umgebung zu Fuß erkunden. Während der kleinen Wanderung stiegen wir zunächst den Gegenhang hinauf und hatten vom Grat aus einen beeindruckenden Rundum-Blick. Hinter uns lag das von der Sonne angestrahlte Dorf. Vor uns erhoben sich mit einigem Abstand karge Hügelketten, auf denen kaum ein Strauch zu wachsen vermag. Und dennoch schaffen es die Einheimischen irgendwie in dieser trockenen Gegend Landwirtschaft zu betreiben. In der unter uns befindlichen Ebene konnten wir Felder erkennen, die frisch umgegraben waren und mit ihren dunklen Erdtönen das braunfarbige Spektrum der Umgebung komplettierten. Am Himmel flogen schwarze Raben und zwei Greifvögel. Am Boden faszinierte uns eine äußerst haarige, kleine Raupe. Doch besonders begeistert waren wir, als auf einmal ein Schakal unweit von uns aus seinem steinernen Versteck sprang und sich mit raschen Schritten von uns entfernte.
Den glasklaren Höhepunkt unseres Aufenthaltes in Ruin bildete der Sonntagabend. Wir waren eingeladen zum Onkel des Vaters unseres Zimmervermieters. Mit 77 Jahren ist er das älteste, noch lebende Familienmitglied und er wohnt bereits seit über 50 Jahren in einem kleinen Haus mit zwei Zimmern. Insgesamt trafen sich dort gut 20 Onkel, Tanten, Nichten und Neffen.
Wieder wurde bei diesem Zusammentreffen deutlich wie traditionsbewusst das Leben in dem kleinen Dorf von statten geht. Obwohl alle Versammelten sich seit Jahren kennen und untereinander ein jeder den anderen mit freundlichen Worten begrüßte, fand ein Handschlag zwischen Männern und Frauen nur bei blutsverwandten, also zum Beispiel nicht bei angeheirateten Onkeln bzw. Tanten, statt. Unser in die Jahre gekommener Gastgeber konnte nicht nur eine sondern gleich zwei der uralten, zusammen mit uns auf dem Boden sitzenden Damen als seine Ehefrau bezeichnen. Und als nach einigen Tees und Süßigkeiten das Abendessen (Reis mit diversen Saucen und Gemüse) serviert wurde, zogen sich die Frauen in den Nebenraum zurück, um dort getrennt von den Männern zu speisen. Anders als damals in Harran, wurde hier bei Alex keine Ausnahme gemacht. Auch sie sollte zum Essen in das andere Zimmer umziehen.
Als durchaus fähiger und eifriger Dolmetscher hatte Samuel*, ein 13 Jahre alter Junge, der jedoch aussah und sprach als ob er schon 25 Jahre alt wäre, viel zu tun. Wir wurden interessiert über unser Leben in Deutschland ausgefragt und natürlich ließen auch wir uns die Gelegenheit nicht entgehen mehr über den Alltag unserer Gesprächspartner zu erfahren. Schnell wurde deutlich, dass die Familie im Iran ein viel zentralerer und wichtigerer Bestandteil des Lebens ist als bei uns. Sie ist das soziale Netzwerk schlechthin und wird durch regelmäßige Zusammenkünfte auch mit entfernten Verwandten gepflegt. Daraus ergeben sich einige Vorteile wie zum Beispiel, dass man stets auf die Hilfe seiner Familie setzen kann. Allerdings geht dies auch mit vielen Verpflichtungen einher, welche die individuellen Freiheiten beschneiden. Einfach so aus dem Elternhaus in eine eigene Wohnung auszuziehen ist unüblich und wird in konservativen Kreisen vor der Hochzeit nicht geduldet.
Ebenfalls interessant: Am Abend davor waren wir zu Gast bei der Tante unseres Vermieters. Nach köstlichem Kamedschusch präsentierte uns die korpulente und männlich auftretende Frau eine althergebrachte Weberei-Technik. Mit ausgeklügelten Seilsystemen entsteht so in Windeseile ein neues Handtuch. Die zwei benachbarten Dörfer sind nicht von der ethnischen Gruppe der Tat bewohnt. Dort spricht man Turkmenisch beziehungsweise Kurdisch.
Was sonst noch auffällt: Die Verwendung von Messern während einer Mahlzeit ist genau so unüblich wie das Servieren von Getränken. Man muss mit Löffel und Gabel zurecht kommen und im Vorfeld viel Tee trinken oder aber Joghurt essen, der ebenfalls eine erfrischende Wirkung haben kann. Die Redewendung „In scha‘ Allah“ (dt: „So Gott will“) wird nicht nur von Gläubigen verwendet, sondern dient im ganzen Iran dazu die eigene Hoffnung auf zukünftige Begebenheiten auszudrücken. Bsp: „Im nächsten Jahr besuche ich erneut den Iran. In scha‘ Allah!“
Nun komme ich zu den Ereignissen aus Ruin, wo wir uns glücklicherweise dazu entschieden, um eine Nacht zu verlängern. So konnten wir am Sonntag bei schönstem Sonnenwetter die nähere Umgebung zu Fuß erkunden. Während der kleinen Wanderung stiegen wir zunächst den Gegenhang hinauf und hatten vom Grat aus einen beeindruckenden Rundum-Blick. Hinter uns lag das von der Sonne angestrahlte Dorf. Vor uns erhoben sich mit einigem Abstand karge Hügelketten, auf denen kaum ein Strauch zu wachsen vermag. Und dennoch schaffen es die Einheimischen irgendwie in dieser trockenen Gegend Landwirtschaft zu betreiben. In der unter uns befindlichen Ebene konnten wir Felder erkennen, die frisch umgegraben waren und mit ihren dunklen Erdtönen das braunfarbige Spektrum der Umgebung komplettierten. Am Himmel flogen schwarze Raben und zwei Greifvögel. Am Boden faszinierte uns eine äußerst haarige, kleine Raupe. Doch besonders begeistert waren wir, als auf einmal ein Schakal unweit von uns aus seinem steinernen Versteck sprang und sich mit raschen Schritten von uns entfernte.
Den glasklaren Höhepunkt unseres Aufenthaltes in Ruin bildete der Sonntagabend. Wir waren eingeladen zum Onkel des Vaters unseres Zimmervermieters. Mit 77 Jahren ist er das älteste, noch lebende Familienmitglied und er wohnt bereits seit über 50 Jahren in einem kleinen Haus mit zwei Zimmern. Insgesamt trafen sich dort gut 20 Onkel, Tanten, Nichten und Neffen.
Wieder wurde bei diesem Zusammentreffen deutlich wie traditionsbewusst das Leben in dem kleinen Dorf von statten geht. Obwohl alle Versammelten sich seit Jahren kennen und untereinander ein jeder den anderen mit freundlichen Worten begrüßte, fand ein Handschlag zwischen Männern und Frauen nur bei blutsverwandten, also zum Beispiel nicht bei angeheirateten Onkeln bzw. Tanten, statt. Unser in die Jahre gekommener Gastgeber konnte nicht nur eine sondern gleich zwei der uralten, zusammen mit uns auf dem Boden sitzenden Damen als seine Ehefrau bezeichnen. Und als nach einigen Tees und Süßigkeiten das Abendessen (Reis mit diversen Saucen und Gemüse) serviert wurde, zogen sich die Frauen in den Nebenraum zurück, um dort getrennt von den Männern zu speisen. Anders als damals in Harran, wurde hier bei Alex keine Ausnahme gemacht. Auch sie sollte zum Essen in das andere Zimmer umziehen.
Als durchaus fähiger und eifriger Dolmetscher hatte Samuel*, ein 13 Jahre alter Junge, der jedoch aussah und sprach als ob er schon 25 Jahre alt wäre, viel zu tun. Wir wurden interessiert über unser Leben in Deutschland ausgefragt und natürlich ließen auch wir uns die Gelegenheit nicht entgehen mehr über den Alltag unserer Gesprächspartner zu erfahren. Schnell wurde deutlich, dass die Familie im Iran ein viel zentralerer und wichtigerer Bestandteil des Lebens ist als bei uns. Sie ist das soziale Netzwerk schlechthin und wird durch regelmäßige Zusammenkünfte auch mit entfernten Verwandten gepflegt. Daraus ergeben sich einige Vorteile wie zum Beispiel, dass man stets auf die Hilfe seiner Familie setzen kann. Allerdings geht dies auch mit vielen Verpflichtungen einher, welche die individuellen Freiheiten beschneiden. Einfach so aus dem Elternhaus in eine eigene Wohnung auszuziehen ist unüblich und wird in konservativen Kreisen vor der Hochzeit nicht geduldet.
Ebenfalls interessant: Am Abend davor waren wir zu Gast bei der Tante unseres Vermieters. Nach köstlichem Kamedschusch präsentierte uns die korpulente und männlich auftretende Frau eine althergebrachte Weberei-Technik. Mit ausgeklügelten Seilsystemen entsteht so in Windeseile ein neues Handtuch. Die zwei benachbarten Dörfer sind nicht von der ethnischen Gruppe der Tat bewohnt. Dort spricht man Turkmenisch beziehungsweise Kurdisch.
Was sonst noch auffällt: Die Verwendung von Messern während einer Mahlzeit ist genau so unüblich wie das Servieren von Getränken. Man muss mit Löffel und Gabel zurecht kommen und im Vorfeld viel Tee trinken oder aber Joghurt essen, der ebenfalls eine erfrischende Wirkung haben kann. Die Redewendung „In scha‘ Allah“ (dt: „So Gott will“) wird nicht nur von Gläubigen verwendet, sondern dient im ganzen Iran dazu die eigene Hoffnung auf zukünftige Begebenheiten auszudrücken. Bsp: „Im nächsten Jahr besuche ich erneut den Iran. In scha‘ Allah!“
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Michael

liebt es zu reisen und dabei die Welt zu beobachten. Während er unterwegs ist, tauscht er alle Hobbies gegen eines ein: Journal führen. Mit exzessiver Akribie malt er stundenlang Karten, gestaltet Übersichts-Tabellen und schreibt Erlebtes nieder.

* Damit ich niemanden in ernsthafte Probleme bringe, habe ich die mit * markierten Personen pseudonymisiert.

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Hey, ich bin Michael...

… und sehe mich als abenteuerfreudigen und neugierigen Reisenden. Dabei faszinieren mich ganz besonders Begegnungen bei der Fahrt per Anhalter, Navigation mit Karte und Grenzübertritte jeder Art.
Fast täglich schreibe ich auf diesen Reisen mit großer Hingabe in ein Journal. Mit meiner Kamera halte ich besondere Momente als Foto fest.

Dein Weg zu mir

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News

Launch der digitalen Ausstellung

Zeitgleich mit dem Beginn der analogen Ausstellung in der TurnVilla, startet heute auch die digitale Ausstellung auf dieser Website. Ab

Die Ausstellung ist eröffnet!

Seit heute sind die 11 Motive dieser Foto-Ausstellung in der TurnVilla des TV Emsdetten zu sehen! Außerdem hängen dort die

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Unsere Unterkunft erreichten wir gestern mal wieder relativ spät. Unerwartet lang hatte der Bus benötigt, den wir morgens ab Gonbad genommen hatten. Um in das abseits gelegene Dorf namens Ruin zu gelangen, brauchten wir danach noch ein Savari sowie die freundliche Hilfe eines Pkw-Fahrers, den wir für die letzten Kilometer per Anhalter stoppten. Die von kargen Bergen eingefasste Siedlung macht auf uns einen sehr konservativen Eindruck. Jede Frau, die wir bislang hier gesehen haben, war in einen Tschaddor gehüllt. Das ist ein riesiges Tuch, meist in dunklen Farben gehalten, welches vom Kopf abwärts den gesamten Körper verhüllt. Nur das Gesicht bleibt frei. Eine solch restriktive Kleiderordnung ist uns bislang nicht begegnet. Selbst in Gatschi Su e Bala trugen die meisten Frauen lediglich ein Kopftuch und ließen dabei einige Haare zum Vorschein kommen. Das Gebiet, in dem die Turkmenen die Bevölkerungsmehrheit stellen, haben wir mittlerweile verlassen. Unser Gastgeber Hassan* zählt sich selbst zu den Tat.
Der Islam scheint hier in Ruin eine große Rolle zu spielen. Auf die 3000 Einwohner kommen Hassan* zufolge gleich sechs Moscheen. Mehrfach am Tag erklingt der Ruf eines Muezzins und wird gefolgt von einem längeren Monolog auf Arabisch, der ebenfalls über Lautsprecher durch das ganze Dorf vorgetragen wird. Gleich zum Frühstück erklärte uns Hassan*, dass er im Gegensatz zu den sunnitischen Turkmenen dem schiitischen Islam anhängt. In unserem Zimmer hängt ein Bild der Kaaba und ein Pfeil deutet in die Gebetsrichtung nach Mekka. Beim Einkauf im Kiosk nebenan wurde ich sogar gefragt, ob ich Moslem sei.
Unsere Unterkunft erreichten wir gestern mal wieder relativ spät. Unerwartet lang hatte der Bus benötigt, den wir morgens ab Gonbad genommen hatten. Um in das abseits gelegene Dorf namens Ruin zu gelangen, brauchten wir danach noch ein Savari sowie die freundliche Hilfe eines Pkw-Fahrers, den wir für die letzten Kilometer per Anhalter stoppten. Die von kargen Bergen eingefasste Siedlung macht auf uns einen sehr konservativen Eindruck. Jede Frau, die wir bislang hier gesehen haben, war in einen Tschaddor gehüllt. Das ist ein riesiges Tuch, meist in dunklen Farben gehalten, welches vom Kopf abwärts den gesamten Körper verhüllt. Nur das Gesicht bleibt frei. Eine solch restriktive Kleiderordnung ist uns bislang nicht begegnet. Selbst in Gatschi Su e Bala trugen die meisten Frauen lediglich ein Kopftuch und ließen dabei einige Haare zum Vorschein kommen. Das Gebiet, in dem die Turkmenen die Bevölkerungsmehrheit stellen, haben wir mittlerweile verlassen. Unser Gastgeber Hassan* zählt sich selbst zu den Tat.
Der Islam scheint hier in Ruin eine große Rolle zu spielen. Auf die 3000 Einwohner kommen Hassan* zufolge gleich sechs Moscheen. Mehrfach am Tag erklingt der Ruf eines Muezzins und wird gefolgt von einem längeren Monolog auf Arabisch, der ebenfalls über Lautsprecher durch das ganze Dorf vorgetragen wird. Gleich zum Frühstück erklärte uns Hassan*, dass er im Gegensatz zu den sunnitischen Turkmenen dem schiitischen Islam anhängt. In unserem Zimmer hängt ein Bild der Kaaba und ein Pfeil deutet in die Gebetsrichtung nach Mekka. Beim Einkauf im Kiosk nebenan wurde ich sogar gefragt, ob ich Moslem sei.
Die letzten Stunden des Jahres 2018 nach der uns gewohnten Kalenderrechnung laufen. Doch hier in Maschhad, im äußersten Nordosten des Irans, ist davon bislang überhaupt nichts zu spüren und alles deutet darauf hin, dass die kommende Nacht nicht mehr sein wird als der Wechsel vom 10. Auf den 11. Dei des persischen Jahres 1397.
Die letzten Stunden des Jahres 2018 nach der uns gewohnten Kalenderrechnung laufen. Doch hier in Maschhad, im äußersten Nordosten des Irans, ist davon bislang überhaupt nichts zu spüren und alles deutet darauf hin, dass die kommende Nacht nicht mehr sein wird als der Wechsel vom 10. Auf den 11. Dei des persischen Jahres 1397.
Nun komme ich zu den Ereignissen aus Ruin, wo wir uns glücklicherweise dazu entschieden, um eine Nacht zu verlängern. So konnten wir am Sonntag bei schönstem Sonnenwetter die nähere Umgebung zu Fuß erkunden. Während der kleinen Wanderung stiegen wir zunächst den Gegenhang hinauf und hatten vom Grat aus einen beeindruckenden Rundum-Blick. Hinter uns lag das von der Sonne angestrahlte Dorf. Vor uns erhoben sich mit einigem Abstand karge Hügelketten, auf denen kaum ein Strauch zu wachsen vermag. Und dennoch schaffen es die Einheimischen irgendwie in dieser trockenen Gegend Landwirtschaft zu betreiben. In der unter uns befindlichen Ebene konnten wir Felder erkennen, die frisch umgegraben waren und mit ihren dunklen Erdtönen das braunfarbige Spektrum der Umgebung komplettierten. Am Himmel flogen schwarze Raben und zwei Greifvögel. Am Boden faszinierte uns eine äußerst haarige, kleine Raupe. Doch besonders begeistert waren wir, als auf einmal ein Schakal unweit von uns aus seinem steinernen Versteck sprang und sich mit raschen Schritten von uns entfernte.
Den glasklaren Höhepunkt unseres Aufenthaltes in Ruin bildete der Sonntagabend. Wir waren eingeladen zum Onkel des Vaters unseres Zimmervermieters. Mit 77 Jahren ist er das älteste, noch lebende Familienmitglied und er wohnt bereits seit über 50 Jahren in einem kleinen Haus mit zwei Zimmern. Insgesamt trafen sich dort gut 20 Onkel, Tanten, Nichten und Neffen.
Wieder wurde bei diesem Zusammentreffen deutlich wie traditionsbewusst das Leben in dem kleinen Dorf von statten geht. Obwohl alle Versammelten sich seit Jahren kennen und untereinander ein jeder den anderen mit freundlichen Worten begrüßte, fand ein Handschlag zwischen Männern und Frauen nur bei blutsverwandten, also zum Beispiel nicht bei angeheirateten Onkeln bzw. Tanten, statt. Unser in die Jahre gekommener Gastgeber konnte nicht nur eine sondern gleich zwei der uralten, zusammen mit uns auf dem Boden sitzenden Damen als seine Ehefrau bezeichnen. Und als nach einigen Tees und Süßigkeiten das Abendessen (Reis mit diversen Saucen und Gemüse) serviert wurde, zogen sich die Frauen in den Nebenraum zurück, um dort getrennt von den Männern zu speisen. Anders als damals in Harran, wurde hier bei Alex keine Ausnahme gemacht. Auch sie sollte zum Essen in das andere Zimmer umziehen.
Als durchaus fähiger und eifriger Dolmetscher hatte Samuel*, ein 13 Jahre alter Junge, der jedoch aussah und sprach als ob er schon 25 Jahre alt wäre, viel zu tun. Wir wurden interessiert über unser Leben in Deutschland ausgefragt und natürlich ließen auch wir uns die Gelegenheit nicht entgehen mehr über den Alltag unserer Gesprächspartner zu erfahren. Schnell wurde deutlich, dass die Familie im Iran ein viel zentralerer und wichtigerer Bestandteil des Lebens ist als bei uns. Sie ist das soziale Netzwerk schlechthin und wird durch regelmäßige Zusammenkünfte auch mit entfernten Verwandten gepflegt. Daraus ergeben sich einige Vorteile wie zum Beispiel, dass man stets auf die Hilfe seiner Familie setzen kann. Allerdings geht dies auch mit vielen Verpflichtungen einher, welche die individuellen Freiheiten beschneiden. Einfach so aus dem Elternhaus in eine eigene Wohnung auszuziehen ist unüblich und wird in konservativen Kreisen vor der Hochzeit nicht geduldet.
Ebenfalls interessant: Am Abend davor waren wir zu Gast bei der Tante unseres Vermieters. Nach köstlichem Kamedschusch präsentierte uns die korpulente und männlich auftretende Frau eine althergebrachte Weberei-Technik. Mit ausgeklügelten Seilsystemen entsteht so in Windeseile ein neues Handtuch. Die zwei benachbarten Dörfer sind nicht von der ethnischen Gruppe der Tat bewohnt. Dort spricht man Turkmenisch beziehungsweise Kurdisch.
Was sonst noch auffällt: Die Verwendung von Messern während einer Mahlzeit ist genau so unüblich wie das Servieren von Getränken. Man muss mit Löffel und Gabel zurecht kommen und im Vorfeld viel Tee trinken oder aber Joghurt essen, der ebenfalls eine erfrischende Wirkung haben kann. Die Redewendung „In scha‘ Allah“ (dt: „So Gott will“) wird nicht nur von Gläubigen verwendet, sondern dient im ganzen Iran dazu die eigene Hoffnung auf zukünftige Begebenheiten auszudrücken. Bsp: „Im nächsten Jahr besuche ich erneut den Iran. In scha‘ Allah!“
Nun komme ich zu den Ereignissen aus Ruin, wo wir uns glücklicherweise dazu entschieden, um eine Nacht zu verlängern. So konnten wir am Sonntag bei schönstem Sonnenwetter die nähere Umgebung zu Fuß erkunden. Während der kleinen Wanderung stiegen wir zunächst den Gegenhang hinauf und hatten vom Grat aus einen beeindruckenden Rundum-Blick. Hinter uns lag das von der Sonne angestrahlte Dorf. Vor uns erhoben sich mit einigem Abstand karge Hügelketten, auf denen kaum ein Strauch zu wachsen vermag. Und dennoch schaffen es die Einheimischen irgendwie in dieser trockenen Gegend Landwirtschaft zu betreiben. In der unter uns befindlichen Ebene konnten wir Felder erkennen, die frisch umgegraben waren und mit ihren dunklen Erdtönen das braunfarbige Spektrum der Umgebung komplettierten. Am Himmel flogen schwarze Raben und zwei Greifvögel. Am Boden faszinierte uns eine äußerst haarige, kleine Raupe. Doch besonders begeistert waren wir, als auf einmal ein Schakal unweit von uns aus seinem steinernen Versteck sprang und sich mit raschen Schritten von uns entfernte.
Den glasklaren Höhepunkt unseres Aufenthaltes in Ruin bildete der Sonntagabend. Wir waren eingeladen zum Onkel des Vaters unseres Zimmervermieters. Mit 77 Jahren ist er das älteste, noch lebende Familienmitglied und er wohnt bereits seit über 50 Jahren in einem kleinen Haus mit zwei Zimmern. Insgesamt trafen sich dort gut 20 Onkel, Tanten, Nichten und Neffen.
Wieder wurde bei diesem Zusammentreffen deutlich wie traditionsbewusst das Leben in dem kleinen Dorf von statten geht. Obwohl alle Versammelten sich seit Jahren kennen und untereinander ein jeder den anderen mit freundlichen Worten begrüßte, fand ein Handschlag zwischen Männern und Frauen nur bei blutsverwandten, also zum Beispiel nicht bei angeheirateten Onkeln bzw. Tanten, statt. Unser in die Jahre gekommener Gastgeber konnte nicht nur eine sondern gleich zwei der uralten, zusammen mit uns auf dem Boden sitzenden Damen als seine Ehefrau bezeichnen. Und als nach einigen Tees und Süßigkeiten das Abendessen (Reis mit diversen Saucen und Gemüse) serviert wurde, zogen sich die Frauen in den Nebenraum zurück, um dort getrennt von den Männern zu speisen. Anders als damals in Harran, wurde hier bei Alex keine Ausnahme gemacht. Auch sie sollte zum Essen in das andere Zimmer umziehen.
Als durchaus fähiger und eifriger Dolmetscher hatte Samuel*, ein 13 Jahre alter Junge, der jedoch aussah und sprach als ob er schon 25 Jahre alt wäre, viel zu tun. Wir wurden interessiert über unser Leben in Deutschland ausgefragt und natürlich ließen auch wir uns die Gelegenheit nicht entgehen mehr über den Alltag unserer Gesprächspartner zu erfahren. Schnell wurde deutlich, dass die Familie im Iran ein viel zentralerer und wichtigerer Bestandteil des Lebens ist als bei uns. Sie ist das soziale Netzwerk schlechthin und wird durch regelmäßige Zusammenkünfte auch mit entfernten Verwandten gepflegt. Daraus ergeben sich einige Vorteile wie zum Beispiel, dass man stets auf die Hilfe seiner Familie setzen kann. Allerdings geht dies auch mit vielen Verpflichtungen einher, welche die individuellen Freiheiten beschneiden. Einfach so aus dem Elternhaus in eine eigene Wohnung auszuziehen ist unüblich und wird in konservativen Kreisen vor der Hochzeit nicht geduldet.
Ebenfalls interessant: Am Abend davor waren wir zu Gast bei der Tante unseres Vermieters. Nach köstlichem Kamedschusch präsentierte uns die korpulente und männlich auftretende Frau eine althergebrachte Weberei-Technik. Mit ausgeklügelten Seilsystemen entsteht so in Windeseile ein neues Handtuch. Die zwei benachbarten Dörfer sind nicht von der ethnischen Gruppe der Tat bewohnt. Dort spricht man Turkmenisch beziehungsweise Kurdisch.
Was sonst noch auffällt: Die Verwendung von Messern während einer Mahlzeit ist genau so unüblich wie das Servieren von Getränken. Man muss mit Löffel und Gabel zurecht kommen und im Vorfeld viel Tee trinken oder aber Joghurt essen, der ebenfalls eine erfrischende Wirkung haben kann. Die Redewendung „In scha‘ Allah“ (dt: „So Gott will“) wird nicht nur von Gläubigen verwendet, sondern dient im ganzen Iran dazu die eigene Hoffnung auf zukünftige Begebenheiten auszudrücken. Bsp: „Im nächsten Jahr besuche ich erneut den Iran. In scha‘ Allah!“
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liebt es zu reisen und dabei die Welt zu beobachten. Während er unterwegs ist, tauscht er alle Hobbies gegen eines ein: Journal führen. Mit exzessiver Akribie malt er stundenlang Karten, gestaltet Übersichts-Tabellen und schreibt Erlebtes nieder.

* Damit ich niemanden in ernsthafte Probleme bringe, habe ich die mit * markierten Personen pseudonymisiert.

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… und sehe mich als abenteuerfreudigen und neugierigen Reisenden. Dabei faszinieren mich ganz besonders Begegnungen bei der Fahrt per Anhalter, Navigation mit Karte und Grenzübertritte jeder Art.
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