Etwas mulmig war mir schon zumute, als sich heute am frühen Nachmittag die Türen des Busses schlossen und wir uns mit dem Ziel Iranschahr in Bewegung setzten. Die meisten Leute, denen wir von unseren Plänen erzählt hatten, reagierten verständnislos. Was wir denn dort überhaupt sehen wollen, wurden wir gefragt, und aufpassen sollten wir in Sistan und Belutschistan ganz besonders, so wurde uns häufig geraten. Von einer akuten Gefahr ging zwar niemand aus, doch so ganz sicher scheinen sich selbst viele Iraner bei dieser Provinz nicht zu sein. Auch die Belegschaft im Reisebus trug nicht zwingend zu einem guten Gefühl bei. Entgegen der uns ansonsten entgegengebrachten Herzlichkeit, würdigten uns die zwei Stewards kaum eines Blickes und sprachen kaum ein Wort mit uns.
Der Weg führte erneut durch äußerst trockene Gegenden. Aus dem Fenster heraus sahen wir nacheinander verschiedene Variationen dieser Wüste an uns vorbei ziehen. Vor allem als die Sonne tiefer stand und kurz vor ihrem Untergang alles in ein warmes, orangenes Licht tauchte, wirkte die Landschaft friedlich und auf ihre ganz eigene Art bezaubernd schön. Die Schatten der vertrockneten Sträucher und kleinen Sandhügel wurden immer länger und als die Sonne hinter dem Horizont verschwunden war, hatte sich das Umgebungsbild erneut geändert. Die scharfen Konturen einiger Felsberge zeichneten sich vor dem tiefblauen Abendhimmel ab. In entgegengesetzter Himmelsrichtung lugte plötzlich [eine] in goldenem Licht hell strahlende Scheibe hinter ebensolchen Erhebungen hervor. Der Vollmond ging auf und stieg langsam am nun dunklen Firmament empor.
Während wir Iranschahr erreichten und im Bus sitzend durch die Straßen der Stadt fuhren, fiel uns die Kleidung der Menschen auf. Nahezu jeder Mann trägt die für Belutschen typische Tracht. Sie besteht aus zwei simpel gestalteten Teilen, einer locker sitzenden Stoffhose sowie einem langärmeligen Hemd aus demselben Material, das bis weit über das Gesäß, ja fast bis zu den Knien fällt. Stets werden die beiden Kleidungsstücke in der gleichen Farbe getragen, meistens in weiß, hin und wieder auch in hellbraun, blassem Flieder oder in pastellblau.
Bei den Frauen muss man schon etwas genauer hinsehen, um einen Unterschied zu anderen, konservativen Regionen des Landes festzustellen. Vieles verschwindet nämlich auch hier unter dem matt-schwarzen Tschaddor. Doch anders als zum Beispiel in Ruin oder in Naschtifan blitzen hier strahlend bunte Farbkombinationen auf, sobald der Saum des Tschaddors nicht ganz bis zum Boden reicht. Vorhin, zu Gast bei der Familie von Rabea* wurde dann schnell offensichtlich wie farbenfroh sich die belutschischen Damen im Privaten kleiden. Neben bunten Tüchern steht Schmuck aus Gold besonders hoch im Kurs. So wurden uns stolz aufwendig gearbeitete Broschen, Ohrringe sowie Stirn- und Halsketten präsentiert. Ein Mann, so erklärte man uns, müsse zur Hochzeit seiner zukünftigen Ehefrau ein bestimmtes Mindestmaß des wertvollen Edelmetalls vorzeigen können.