Mann mit Schaufel

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Journal

Obwohl Danish* unter Tags arbeiten muss, haben wir auch hier schon wieder viele äußerst spannende Eindrücke aufgenommen. Vor zwei Jahren war der ebenfalls 27jährige junge Mann ziemlich verliebt in ein Mädchen aus der Nachbarschaft. Die angestrebte Hochzeit scheiterte jedoch am Veto seiner Oma. In der konservativ-traditionellen Familie hat sie das letzte Wort bei wichtigen Entscheidungen. Die Beziehung, die er mittlerweile zu einem anderen Mädchen hat, muss er absolut geheim halten. Sie treffen sich in abgeschiedenen Cafes oder unternehmen eine gemeinsame Spritztour außerhalb der Stadt. Intime Beziehungen unter Nicht-Verheirateten sind in liberalen Kreisen der iranischen Gesellschaft zwar normal, für traditionell eingestellte Familien aber ein absolutes No-Go.
Spannend ist auch die Beziehung zum nördlich gelegenen Nachbarland. Die gemeinsame Sprache und entfernte familiäre Netze verbinden natürlich. Im Fernseher laufen Musiksender aus Turkmenistan und gesprochen wird über das Land mit einer Mischung aus Verachtung vor dem undemokratischen System und Bewunderung vor dem vermeintlichen Fortschritt. Auf Hochglanz polierte Aufnahmen aus der komplett weißen Hauptstadt Aşgabat verzerren vielleicht das Bild der Realität ein wenig. Denn da gewesen, hinter der 50km entfernten Grenze, ist kaum einer der hier lebenden Turkmenen.
Der Tag heute war unerwartet heiß und mit 20°C so warm wie lange nicht mehr. So traf uns Danish* denn auch in seiner Mittagspause und führte uns zu einem Milchshake in einem Park aus. Davor schauten wir uns das Wahrzeichen der Stadt schlechthin an; einen 1000 Jahre alten Turm aus der Zeit der persischen Ziyariden-Dynastie.
Die Überforderung mit dem Land im Allgemeinen und der Gastfreundschaft im Besonderen hält derweil an. Alleine auf dem 500m messenden Weg von Danishs* Wohnung bis zum Turm sprachen uns drei verschiedene Männer an, die uns entweder zum Abendessen einladen, uns die Stadt zeigen oder uns sonst irgendwie helfen wollten. Diese abzuschütteln erforderte einiges an höflicher Beharrlichkeit und dauerte jeweils mehrere Minuten. Javid* aus Sari ruft täglich bei uns an und erkundigt sich nach unserem Wohlbefinden. Wenn wir Hilfe benötigen, könnten wir bei jeder Feuerwehr-Station des Landes auflaufen und er würde dann mit seinen Kollegen zusammen eine Lösung finden. Die Entmündigung unserer selbst nimmt dann jedes Mal aufs Neue seinen Höhepunkt, wenn wir einen Ort verlassen und zum nächsten weiter reisen möchten. Ohne einen konkreten Transportplan und eine Reservierung für eine Unterkunft vorlegen zu können, wird uns kein Gastgeber aus seinem Haus entlassen, sondern zum Telefon greifen und Bekannte sowie Verwandte in unserem Ziel anrufen. Erst wenn alles bis aufs letzte Detail geplant ist, können wir gehen, wenn uns der alte Gastgeber nicht ohnehin einfach in sein Auto einpackt und mit uns los fährt.
Die überschwängliche Höflichkeit und die damit einher gehenden sozialen Spielchen in der iranischen Gesellschaft tragen sogar einen eigenen Namen. Als „taarof“ wird angemessenes Benehmen bezeichnet. So ist es Gang und Gäbe unter Iranern sich zum Essen im Restaurant einzuladen, dies aber gar nicht so zu meinen. Vom Gegenüber wird erwartet, die Einladung zu erwidern, worauf eine Auseinandersetzung darüber folgt, wer denn nun zahlen darf. Am Ende, so erklärte uns Danish*, begleicht häufig jeder nur seine eigene Rechnung. Die gleichen Spielchen gibt es bei vielen anderen, ähnlichen Situationen im Alltag. Gewissheit darüber, ob eine Einladung zum Abendessen daheim, zur Mitnahme im Auto oder gar zur Übernachtung im eigenen Haus, von unserem Gegenüber auch tatsächlich so gemeint ist, können wir erst erhalten, wenn sie wiederholt wird, nachdem wir sie höflich ausgeschlagen haben. Ob wir dabei ein, zwei oder drei Mal ablehnen müssen, bevor wir uns sicher sein können oder wir unser Gegenüber vielleicht beim zweiten Mal genau durch unser Ablehnen schon beleidigen, hängt ganz von der Situation ab; erfordert also Fingerspitzengefühl, welches wir uns noch erarbeiten müssen.
Obwohl Danish* unter Tags arbeiten muss, haben wir auch hier schon wieder viele äußerst spannende Eindrücke aufgenommen. Vor zwei Jahren war der ebenfalls 27jährige junge Mann ziemlich verliebt in ein Mädchen aus der Nachbarschaft. Die angestrebte Hochzeit scheiterte jedoch am Veto seiner Oma. In der konservativ-traditionellen Familie hat sie das letzte Wort bei wichtigen Entscheidungen. Die Beziehung, die er mittlerweile zu einem anderen Mädchen hat, muss er absolut geheim halten. Sie treffen sich in abgeschiedenen Cafes oder unternehmen eine gemeinsame Spritztour außerhalb der Stadt. Intime Beziehungen unter Nicht-Verheirateten sind in liberalen Kreisen der iranischen Gesellschaft zwar normal, für traditionell eingestellte Familien aber ein absolutes No-Go.
Spannend ist auch die Beziehung zum nördlich gelegenen Nachbarland. Die gemeinsame Sprache und entfernte familiäre Netze verbinden natürlich. Im Fernseher laufen Musiksender aus Turkmenistan und gesprochen wird über das Land mit einer Mischung aus Verachtung vor dem undemokratischen System und Bewunderung vor dem vermeintlichen Fortschritt. Auf Hochglanz polierte Aufnahmen aus der komplett weißen Hauptstadt Aşgabat verzerren vielleicht das Bild der Realität ein wenig. Denn da gewesen, hinter der 50km entfernten Grenze, ist kaum einer der hier lebenden Turkmenen.
Der Tag heute war unerwartet heiß und mit 20°C so warm wie lange nicht mehr. So traf uns Danish* denn auch in seiner Mittagspause und führte uns zu einem Milchshake in einem Park aus. Davor schauten wir uns das Wahrzeichen der Stadt schlechthin an; einen 1000 Jahre alten Turm aus der Zeit der persischen Ziyariden-Dynastie.
Die Überforderung mit dem Land im Allgemeinen und der Gastfreundschaft im Besonderen hält derweil an. Alleine auf dem 500m messenden Weg von Danishs* Wohnung bis zum Turm sprachen uns drei verschiedene Männer an, die uns entweder zum Abendessen einladen, uns die Stadt zeigen oder uns sonst irgendwie helfen wollten. Diese abzuschütteln erforderte einiges an höflicher Beharrlichkeit und dauerte jeweils mehrere Minuten. Javid* aus Sari ruft täglich bei uns an und erkundigt sich nach unserem Wohlbefinden. Wenn wir Hilfe benötigen, könnten wir bei jeder Feuerwehr-Station des Landes auflaufen und er würde dann mit seinen Kollegen zusammen eine Lösung finden. Die Entmündigung unserer selbst nimmt dann jedes Mal aufs Neue seinen Höhepunkt, wenn wir einen Ort verlassen und zum nächsten weiter reisen möchten. Ohne einen konkreten Transportplan und eine Reservierung für eine Unterkunft vorlegen zu können, wird uns kein Gastgeber aus seinem Haus entlassen, sondern zum Telefon greifen und Bekannte sowie Verwandte in unserem Ziel anrufen. Erst wenn alles bis aufs letzte Detail geplant ist, können wir gehen, wenn uns der alte Gastgeber nicht ohnehin einfach in sein Auto einpackt und mit uns los fährt.
Die überschwängliche Höflichkeit und die damit einher gehenden sozialen Spielchen in der iranischen Gesellschaft tragen sogar einen eigenen Namen. Als „taarof“ wird angemessenes Benehmen bezeichnet. So ist es Gang und Gäbe unter Iranern sich zum Essen im Restaurant einzuladen, dies aber gar nicht so zu meinen. Vom Gegenüber wird erwartet, die Einladung zu erwidern, worauf eine Auseinandersetzung darüber folgt, wer denn nun zahlen darf. Am Ende, so erklärte uns Danish*, begleicht häufig jeder nur seine eigene Rechnung. Die gleichen Spielchen gibt es bei vielen anderen, ähnlichen Situationen im Alltag. Gewissheit darüber, ob eine Einladung zum Abendessen daheim, zur Mitnahme im Auto oder gar zur Übernachtung im eigenen Haus, von unserem Gegenüber auch tatsächlich so gemeint ist, können wir erst erhalten, wenn sie wiederholt wird, nachdem wir sie höflich ausgeschlagen haben. Ob wir dabei ein, zwei oder drei Mal ablehnen müssen, bevor wir uns sicher sein können oder wir unser Gegenüber vielleicht beim zweiten Mal genau durch unser Ablehnen schon beleidigen, hängt ganz von der Situation ab; erfordert also Fingerspitzengefühl, welches wir uns noch erarbeiten müssen.
Es ist komplett verrückt. Nie kann man sich hier sicher sein, was passieren wird. Pläne zu schmieden ist nahezu sinnlos, weil sie ohnehin wieder über den Haufen geworden [sic!] werden. Und die Pläne, die sich unsere Gastgeber zurecht legen, sind häufig so abstrus und grotesk, dass sie beide Parteien bis ans äußerste Limit der Belastbarkeit bringen. Nur als Beispiel: Wir hatten gerade eben das Abendessen zusammen mit Danishs* Eltern – gerade eben, das heißt um 1:30Uhr in der Nacht. Was ist denn hier los?! Dabei tauchte auch noch ein bislang unbekannter Cousin von Danish* auf.
Es ist komplett verrückt. Nie kann man sich hier sicher sein, was passieren wird. Pläne zu schmieden ist nahezu sinnlos, weil sie ohnehin wieder über den Haufen geworden [sic!] werden. Und die Pläne, die sich unsere Gastgeber zurecht legen, sind häufig so abstrus und grotesk, dass sie beide Parteien bis ans äußerste Limit der Belastbarkeit bringen. Nur als Beispiel: Wir hatten gerade eben das Abendessen zusammen mit Danishs* Eltern – gerade eben, das heißt um 1:30Uhr in der Nacht. Was ist denn hier los?! Dabei tauchte auch noch ein bislang unbekannter Cousin von Danish* auf.
Da auch Danishs* erweiterte Großfamilie von unserer Anwesenheit beglückt werden wollte, unser Gastgeber selber aber stets bis ungefähr 20Uhr arbeiten muss, wurden wir gestern um 21:30Uhr in sein Auto eingepackt. Zwei seiner zahlreichen Onkel leben in Häusern, die direkt aneinander grenzen und so saßen wir mitsamt Ehefrauen und Kindern in ständig wechselnden Runden von bis zu 13 Personen um ein künstliches Erdgasfeuer im Garten herum zusammen. Es war eine wirklich lustige Gesellschaft und es machte viel Spaß mit Gestiken, unserem Mini-Wortschatz Türkisch oder auch mit Danish* als Übersetzer über die Sprachdistanz hinweg zu balancieren. Einige der Kinder lernen derzeit Englisch und waren ganz erpicht darauf, uns mit Fragen zu löchern und ihr Können zu testen.
Auch hier in Gonbad wird uns der eigentlich verbotene Alkohol serviert. Schon vorgestern tischte Danish* selbstgemachten Rotwein auf, gestern gab es Granatapfelwein aus Schiraz und hausgemachten Schnaps. Die Regierung ist verhasst und jeder hofft auf einen Niedergang des islamischen Regimes. Die Turkmenen, so erfuhren wir gestern Abend, werden als sunnitische Minderheit in besonderer Weise von den staatlichen Institutionen ausgegrenzt, dürfen wegen ihrer Konfession im schiitischen Iran zum Beispiel keine höheren, politischen Ämter bekleiden.
Entgegen unserer ursprünglichen Idee, heute weiterzuziehen, wurden wir am Ende des Besuchs von Danishs* Onkeln und Tanten für den jetzt kommenden Abend zu irgendetwas mit Pferden eingeladen. Es war die Sprache von einer „horse gym“. Danish* hat uns angewiesen, uns auszuruhen und Kräfte für den Abend zu sammeln. Was das nur bedeuten mag..?
Da auch Danishs* erweiterte Großfamilie von unserer Anwesenheit beglückt werden wollte, unser Gastgeber selber aber stets bis ungefähr 20Uhr arbeiten muss, wurden wir gestern um 21:30Uhr in sein Auto eingepackt. Zwei seiner zahlreichen Onkel leben in Häusern, die direkt aneinander grenzen und so saßen wir mitsamt Ehefrauen und Kindern in ständig wechselnden Runden von bis zu 13 Personen um ein künstliches Erdgasfeuer im Garten herum zusammen. Es war eine wirklich lustige Gesellschaft und es machte viel Spaß mit Gestiken, unserem Mini-Wortschatz Türkisch oder auch mit Danish* als Übersetzer über die Sprachdistanz hinweg zu balancieren. Einige der Kinder lernen derzeit Englisch und waren ganz erpicht darauf, uns mit Fragen zu löchern und ihr Können zu testen.
Auch hier in Gonbad wird uns der eigentlich verbotene Alkohol serviert. Schon vorgestern tischte Danish* selbstgemachten Rotwein auf, gestern gab es Granatapfelwein aus Schiraz und hausgemachten Schnaps. Die Regierung ist verhasst und jeder hofft auf einen Niedergang des islamischen Regimes. Die Turkmenen, so erfuhren wir gestern Abend, werden als sunnitische Minderheit in besonderer Weise von den staatlichen Institutionen ausgegrenzt, dürfen wegen ihrer Konfession im schiitischen Iran zum Beispiel keine höheren, politischen Ämter bekleiden.
Entgegen unserer ursprünglichen Idee, heute weiterzuziehen, wurden wir am Ende des Besuchs von Danishs* Onkeln und Tanten für den jetzt kommenden Abend zu irgendetwas mit Pferden eingeladen. Es war die Sprache von einer „horse gym“. Danish* hat uns angewiesen, uns auszuruhen und Kräfte für den Abend zu sammeln. Was das nur bedeuten mag..?
Die „horse gym“ entpuppte sich als große Freiluftanlage, auf der Rennpferde heran gezüchtet werden. Und so kam es wie es kommen musste. Nach einigen Gläsern Wein und Schnaps ließ sich die Idee, eines der wertvollen Pferde aus dem Stall zu holen, nicht mehr zurückhalten. Vom kompetenten Pferdetrainer mit dem Namen Said* an der Leine genommen, trabten Xändi und ich nacheinander auf dem Rücken von „New Star“ durch die nebelige Nacht.
[…] Was sonst noch geschah: Vor kompletter Runde schlug der als Chirurg arbeitende Onkel von Danish* vorgestern Abend vor, die Nase von Xändi mit einem kurzen Eingriff zu verkleinern. Danach wäre sie „really beautiful“. Was wie ein übler Affront wirkt, ist im Iran ganz normal. Plastische Chirurgie ist ganz alltäglich. Sehr viele Frauen lassen sich zum Beispiel die Nase verkleinern.
Die „horse gym“ entpuppte sich als große Freiluftanlage, auf der Rennpferde heran gezüchtet werden. Und so kam es wie es kommen musste. Nach einigen Gläsern Wein und Schnaps ließ sich die Idee, eines der wertvollen Pferde aus dem Stall zu holen, nicht mehr zurückhalten. Vom kompetenten Pferdetrainer mit dem Namen Said* an der Leine genommen, trabten Xändi und ich nacheinander auf dem Rücken von „New Star“ durch die nebelige Nacht.
[…] Was sonst noch geschah: Vor kompletter Runde schlug der als Chirurg arbeitende Onkel von Danish* vorgestern Abend vor, die Nase von Xändi mit einem kurzen Eingriff zu verkleinern. Danach wäre sie „really beautiful“. Was wie ein übler Affront wirkt, ist im Iran ganz normal. Plastische Chirurgie ist ganz alltäglich. Sehr viele Frauen lassen sich zum Beispiel die Nase verkleinern.
Profil

Michael

liebt es zu reisen und dabei die Welt zu beobachten. Während er unterwegs ist, tauscht er alle Hobbies gegen eines ein: Journal führen. Mit exzessiver Akribie malt er stundenlang Karten, gestaltet Übersichts-Tabellen und schreibt Erlebtes nieder.

* Damit ich niemanden in ernsthafte Probleme bringe, habe ich die mit * markierten Personen pseudonymisiert.

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Hey, ich bin Michael...

… und sehe mich als abenteuerfreudigen und neugierigen Reisenden. Dabei faszinieren mich ganz besonders Begegnungen bei der Fahrt per Anhalter, Navigation mit Karte und Grenzübertritte jeder Art.
Fast täglich schreibe ich auf diesen Reisen mit großer Hingabe in ein Journal. Mit meiner Kamera halte ich besondere Momente als Foto fest.

Dein Weg zu mir

Hinterlasse mir gerne einen Kommentar auf den Foto-Seiten: Egal ob Anregungen, Fragen oder Kritik – jedes Feedback von dir ist ein riesiger Motivationsschub für mich!

Gerne kannst du direkt mit mir Kontakt aufnehmen:
Du findest mein Projekt so stark, dass du mich unbedingt finanziell unterstützen möchtest? Dann gibt es tatsächlich eine Möglichkeit 🙂

News

Launch der digitalen Ausstellung

Zeitgleich mit dem Beginn der analogen Ausstellung in der TurnVilla, startet heute auch die digitale Ausstellung auf dieser Website. Ab

Die Ausstellung ist eröffnet!

Seit heute sind die 11 Motive dieser Foto-Ausstellung in der TurnVilla des TV Emsdetten zu sehen! Außerdem hängen dort die

Journal

Obwohl Danish* unter Tags arbeiten muss, haben wir auch hier schon wieder viele äußerst spannende Eindrücke aufgenommen. Vor zwei Jahren war der ebenfalls 27jährige junge Mann ziemlich verliebt in ein Mädchen aus der Nachbarschaft. Die angestrebte Hochzeit scheiterte jedoch am Veto seiner Oma. In der konservativ-traditionellen Familie hat sie das letzte Wort bei wichtigen Entscheidungen. Die Beziehung, die er mittlerweile zu einem anderen Mädchen hat, muss er absolut geheim halten. Sie treffen sich in abgeschiedenen Cafes oder unternehmen eine gemeinsame Spritztour außerhalb der Stadt. Intime Beziehungen unter Nicht-Verheirateten sind in liberalen Kreisen der iranischen Gesellschaft zwar normal, für traditionell eingestellte Familien aber ein absolutes No-Go.
Spannend ist auch die Beziehung zum nördlich gelegenen Nachbarland. Die gemeinsame Sprache und entfernte familiäre Netze verbinden natürlich. Im Fernseher laufen Musiksender aus Turkmenistan und gesprochen wird über das Land mit einer Mischung aus Verachtung vor dem undemokratischen System und Bewunderung vor dem vermeintlichen Fortschritt. Auf Hochglanz polierte Aufnahmen aus der komplett weißen Hauptstadt Aşgabat verzerren vielleicht das Bild der Realität ein wenig. Denn da gewesen, hinter der 50km entfernten Grenze, ist kaum einer der hier lebenden Turkmenen.
Der Tag heute war unerwartet heiß und mit 20°C so warm wie lange nicht mehr. So traf uns Danish* denn auch in seiner Mittagspause und führte uns zu einem Milchshake in einem Park aus. Davor schauten wir uns das Wahrzeichen der Stadt schlechthin an; einen 1000 Jahre alten Turm aus der Zeit der persischen Ziyariden-Dynastie.
Die Überforderung mit dem Land im Allgemeinen und der Gastfreundschaft im Besonderen hält derweil an. Alleine auf dem 500m messenden Weg von Danishs* Wohnung bis zum Turm sprachen uns drei verschiedene Männer an, die uns entweder zum Abendessen einladen, uns die Stadt zeigen oder uns sonst irgendwie helfen wollten. Diese abzuschütteln erforderte einiges an höflicher Beharrlichkeit und dauerte jeweils mehrere Minuten. Javid* aus Sari ruft täglich bei uns an und erkundigt sich nach unserem Wohlbefinden. Wenn wir Hilfe benötigen, könnten wir bei jeder Feuerwehr-Station des Landes auflaufen und er würde dann mit seinen Kollegen zusammen eine Lösung finden. Die Entmündigung unserer selbst nimmt dann jedes Mal aufs Neue seinen Höhepunkt, wenn wir einen Ort verlassen und zum nächsten weiter reisen möchten. Ohne einen konkreten Transportplan und eine Reservierung für eine Unterkunft vorlegen zu können, wird uns kein Gastgeber aus seinem Haus entlassen, sondern zum Telefon greifen und Bekannte sowie Verwandte in unserem Ziel anrufen. Erst wenn alles bis aufs letzte Detail geplant ist, können wir gehen, wenn uns der alte Gastgeber nicht ohnehin einfach in sein Auto einpackt und mit uns los fährt.
Die überschwängliche Höflichkeit und die damit einher gehenden sozialen Spielchen in der iranischen Gesellschaft tragen sogar einen eigenen Namen. Als „taarof“ wird angemessenes Benehmen bezeichnet. So ist es Gang und Gäbe unter Iranern sich zum Essen im Restaurant einzuladen, dies aber gar nicht so zu meinen. Vom Gegenüber wird erwartet, die Einladung zu erwidern, worauf eine Auseinandersetzung darüber folgt, wer denn nun zahlen darf. Am Ende, so erklärte uns Danish*, begleicht häufig jeder nur seine eigene Rechnung. Die gleichen Spielchen gibt es bei vielen anderen, ähnlichen Situationen im Alltag. Gewissheit darüber, ob eine Einladung zum Abendessen daheim, zur Mitnahme im Auto oder gar zur Übernachtung im eigenen Haus, von unserem Gegenüber auch tatsächlich so gemeint ist, können wir erst erhalten, wenn sie wiederholt wird, nachdem wir sie höflich ausgeschlagen haben. Ob wir dabei ein, zwei oder drei Mal ablehnen müssen, bevor wir uns sicher sein können oder wir unser Gegenüber vielleicht beim zweiten Mal genau durch unser Ablehnen schon beleidigen, hängt ganz von der Situation ab; erfordert also Fingerspitzengefühl, welches wir uns noch erarbeiten müssen.
Obwohl Danish* unter Tags arbeiten muss, haben wir auch hier schon wieder viele äußerst spannende Eindrücke aufgenommen. Vor zwei Jahren war der ebenfalls 27jährige junge Mann ziemlich verliebt in ein Mädchen aus der Nachbarschaft. Die angestrebte Hochzeit scheiterte jedoch am Veto seiner Oma. In der konservativ-traditionellen Familie hat sie das letzte Wort bei wichtigen Entscheidungen. Die Beziehung, die er mittlerweile zu einem anderen Mädchen hat, muss er absolut geheim halten. Sie treffen sich in abgeschiedenen Cafes oder unternehmen eine gemeinsame Spritztour außerhalb der Stadt. Intime Beziehungen unter Nicht-Verheirateten sind in liberalen Kreisen der iranischen Gesellschaft zwar normal, für traditionell eingestellte Familien aber ein absolutes No-Go.
Spannend ist auch die Beziehung zum nördlich gelegenen Nachbarland. Die gemeinsame Sprache und entfernte familiäre Netze verbinden natürlich. Im Fernseher laufen Musiksender aus Turkmenistan und gesprochen wird über das Land mit einer Mischung aus Verachtung vor dem undemokratischen System und Bewunderung vor dem vermeintlichen Fortschritt. Auf Hochglanz polierte Aufnahmen aus der komplett weißen Hauptstadt Aşgabat verzerren vielleicht das Bild der Realität ein wenig. Denn da gewesen, hinter der 50km entfernten Grenze, ist kaum einer der hier lebenden Turkmenen.
Der Tag heute war unerwartet heiß und mit 20°C so warm wie lange nicht mehr. So traf uns Danish* denn auch in seiner Mittagspause und führte uns zu einem Milchshake in einem Park aus. Davor schauten wir uns das Wahrzeichen der Stadt schlechthin an; einen 1000 Jahre alten Turm aus der Zeit der persischen Ziyariden-Dynastie.
Die Überforderung mit dem Land im Allgemeinen und der Gastfreundschaft im Besonderen hält derweil an. Alleine auf dem 500m messenden Weg von Danishs* Wohnung bis zum Turm sprachen uns drei verschiedene Männer an, die uns entweder zum Abendessen einladen, uns die Stadt zeigen oder uns sonst irgendwie helfen wollten. Diese abzuschütteln erforderte einiges an höflicher Beharrlichkeit und dauerte jeweils mehrere Minuten. Javid* aus Sari ruft täglich bei uns an und erkundigt sich nach unserem Wohlbefinden. Wenn wir Hilfe benötigen, könnten wir bei jeder Feuerwehr-Station des Landes auflaufen und er würde dann mit seinen Kollegen zusammen eine Lösung finden. Die Entmündigung unserer selbst nimmt dann jedes Mal aufs Neue seinen Höhepunkt, wenn wir einen Ort verlassen und zum nächsten weiter reisen möchten. Ohne einen konkreten Transportplan und eine Reservierung für eine Unterkunft vorlegen zu können, wird uns kein Gastgeber aus seinem Haus entlassen, sondern zum Telefon greifen und Bekannte sowie Verwandte in unserem Ziel anrufen. Erst wenn alles bis aufs letzte Detail geplant ist, können wir gehen, wenn uns der alte Gastgeber nicht ohnehin einfach in sein Auto einpackt und mit uns los fährt.
Die überschwängliche Höflichkeit und die damit einher gehenden sozialen Spielchen in der iranischen Gesellschaft tragen sogar einen eigenen Namen. Als „taarof“ wird angemessenes Benehmen bezeichnet. So ist es Gang und Gäbe unter Iranern sich zum Essen im Restaurant einzuladen, dies aber gar nicht so zu meinen. Vom Gegenüber wird erwartet, die Einladung zu erwidern, worauf eine Auseinandersetzung darüber folgt, wer denn nun zahlen darf. Am Ende, so erklärte uns Danish*, begleicht häufig jeder nur seine eigene Rechnung. Die gleichen Spielchen gibt es bei vielen anderen, ähnlichen Situationen im Alltag. Gewissheit darüber, ob eine Einladung zum Abendessen daheim, zur Mitnahme im Auto oder gar zur Übernachtung im eigenen Haus, von unserem Gegenüber auch tatsächlich so gemeint ist, können wir erst erhalten, wenn sie wiederholt wird, nachdem wir sie höflich ausgeschlagen haben. Ob wir dabei ein, zwei oder drei Mal ablehnen müssen, bevor wir uns sicher sein können oder wir unser Gegenüber vielleicht beim zweiten Mal genau durch unser Ablehnen schon beleidigen, hängt ganz von der Situation ab; erfordert also Fingerspitzengefühl, welches wir uns noch erarbeiten müssen.
Es ist komplett verrückt. Nie kann man sich hier sicher sein, was passieren wird. Pläne zu schmieden ist nahezu sinnlos, weil sie ohnehin wieder über den Haufen geworden [sic!] werden. Und die Pläne, die sich unsere Gastgeber zurecht legen, sind häufig so abstrus und grotesk, dass sie beide Parteien bis ans äußerste Limit der Belastbarkeit bringen. Nur als Beispiel: Wir hatten gerade eben das Abendessen zusammen mit Danishs* Eltern – gerade eben, das heißt um 1:30Uhr in der Nacht. Was ist denn hier los?! Dabei tauchte auch noch ein bislang unbekannter Cousin von Danish* auf.
Es ist komplett verrückt. Nie kann man sich hier sicher sein, was passieren wird. Pläne zu schmieden ist nahezu sinnlos, weil sie ohnehin wieder über den Haufen geworden [sic!] werden. Und die Pläne, die sich unsere Gastgeber zurecht legen, sind häufig so abstrus und grotesk, dass sie beide Parteien bis ans äußerste Limit der Belastbarkeit bringen. Nur als Beispiel: Wir hatten gerade eben das Abendessen zusammen mit Danishs* Eltern – gerade eben, das heißt um 1:30Uhr in der Nacht. Was ist denn hier los?! Dabei tauchte auch noch ein bislang unbekannter Cousin von Danish* auf.
Da auch Danishs* erweiterte Großfamilie von unserer Anwesenheit beglückt werden wollte, unser Gastgeber selber aber stets bis ungefähr 20Uhr arbeiten muss, wurden wir gestern um 21:30Uhr in sein Auto eingepackt. Zwei seiner zahlreichen Onkel leben in Häusern, die direkt aneinander grenzen und so saßen wir mitsamt Ehefrauen und Kindern in ständig wechselnden Runden von bis zu 13 Personen um ein künstliches Erdgasfeuer im Garten herum zusammen. Es war eine wirklich lustige Gesellschaft und es machte viel Spaß mit Gestiken, unserem Mini-Wortschatz Türkisch oder auch mit Danish* als Übersetzer über die Sprachdistanz hinweg zu balancieren. Einige der Kinder lernen derzeit Englisch und waren ganz erpicht darauf, uns mit Fragen zu löchern und ihr Können zu testen.
Auch hier in Gonbad wird uns der eigentlich verbotene Alkohol serviert. Schon vorgestern tischte Danish* selbstgemachten Rotwein auf, gestern gab es Granatapfelwein aus Schiraz und hausgemachten Schnaps. Die Regierung ist verhasst und jeder hofft auf einen Niedergang des islamischen Regimes. Die Turkmenen, so erfuhren wir gestern Abend, werden als sunnitische Minderheit in besonderer Weise von den staatlichen Institutionen ausgegrenzt, dürfen wegen ihrer Konfession im schiitischen Iran zum Beispiel keine höheren, politischen Ämter bekleiden.
Entgegen unserer ursprünglichen Idee, heute weiterzuziehen, wurden wir am Ende des Besuchs von Danishs* Onkeln und Tanten für den jetzt kommenden Abend zu irgendetwas mit Pferden eingeladen. Es war die Sprache von einer „horse gym“. Danish* hat uns angewiesen, uns auszuruhen und Kräfte für den Abend zu sammeln. Was das nur bedeuten mag..?
Da auch Danishs* erweiterte Großfamilie von unserer Anwesenheit beglückt werden wollte, unser Gastgeber selber aber stets bis ungefähr 20Uhr arbeiten muss, wurden wir gestern um 21:30Uhr in sein Auto eingepackt. Zwei seiner zahlreichen Onkel leben in Häusern, die direkt aneinander grenzen und so saßen wir mitsamt Ehefrauen und Kindern in ständig wechselnden Runden von bis zu 13 Personen um ein künstliches Erdgasfeuer im Garten herum zusammen. Es war eine wirklich lustige Gesellschaft und es machte viel Spaß mit Gestiken, unserem Mini-Wortschatz Türkisch oder auch mit Danish* als Übersetzer über die Sprachdistanz hinweg zu balancieren. Einige der Kinder lernen derzeit Englisch und waren ganz erpicht darauf, uns mit Fragen zu löchern und ihr Können zu testen.
Auch hier in Gonbad wird uns der eigentlich verbotene Alkohol serviert. Schon vorgestern tischte Danish* selbstgemachten Rotwein auf, gestern gab es Granatapfelwein aus Schiraz und hausgemachten Schnaps. Die Regierung ist verhasst und jeder hofft auf einen Niedergang des islamischen Regimes. Die Turkmenen, so erfuhren wir gestern Abend, werden als sunnitische Minderheit in besonderer Weise von den staatlichen Institutionen ausgegrenzt, dürfen wegen ihrer Konfession im schiitischen Iran zum Beispiel keine höheren, politischen Ämter bekleiden.
Entgegen unserer ursprünglichen Idee, heute weiterzuziehen, wurden wir am Ende des Besuchs von Danishs* Onkeln und Tanten für den jetzt kommenden Abend zu irgendetwas mit Pferden eingeladen. Es war die Sprache von einer „horse gym“. Danish* hat uns angewiesen, uns auszuruhen und Kräfte für den Abend zu sammeln. Was das nur bedeuten mag..?
Die „horse gym“ entpuppte sich als große Freiluftanlage, auf der Rennpferde heran gezüchtet werden. Und so kam es wie es kommen musste. Nach einigen Gläsern Wein und Schnaps ließ sich die Idee, eines der wertvollen Pferde aus dem Stall zu holen, nicht mehr zurückhalten. Vom kompetenten Pferdetrainer mit dem Namen Said* an der Leine genommen, trabten Xändi und ich nacheinander auf dem Rücken von „New Star“ durch die nebelige Nacht.
[…] Was sonst noch geschah: Vor kompletter Runde schlug der als Chirurg arbeitende Onkel von Danish* vorgestern Abend vor, die Nase von Xändi mit einem kurzen Eingriff zu verkleinern. Danach wäre sie „really beautiful“. Was wie ein übler Affront wirkt, ist im Iran ganz normal. Plastische Chirurgie ist ganz alltäglich. Sehr viele Frauen lassen sich zum Beispiel die Nase verkleinern.
Die „horse gym“ entpuppte sich als große Freiluftanlage, auf der Rennpferde heran gezüchtet werden. Und so kam es wie es kommen musste. Nach einigen Gläsern Wein und Schnaps ließ sich die Idee, eines der wertvollen Pferde aus dem Stall zu holen, nicht mehr zurückhalten. Vom kompetenten Pferdetrainer mit dem Namen Said* an der Leine genommen, trabten Xändi und ich nacheinander auf dem Rücken von „New Star“ durch die nebelige Nacht.
[…] Was sonst noch geschah: Vor kompletter Runde schlug der als Chirurg arbeitende Onkel von Danish* vorgestern Abend vor, die Nase von Xändi mit einem kurzen Eingriff zu verkleinern. Danach wäre sie „really beautiful“. Was wie ein übler Affront wirkt, ist im Iran ganz normal. Plastische Chirurgie ist ganz alltäglich. Sehr viele Frauen lassen sich zum Beispiel die Nase verkleinern.
Profil

Michael

liebt es zu reisen und dabei die Welt zu beobachten. Während er unterwegs ist, tauscht er alle Hobbies gegen eines ein: Journal führen. Mit exzessiver Akribie malt er stundenlang Karten, gestaltet Übersichts-Tabellen und schreibt Erlebtes nieder.

* Damit ich niemanden in ernsthafte Probleme bringe, habe ich die mit * markierten Personen pseudonymisiert.

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Hey, ich bin Michael...

… und sehe mich als abenteuerfreudigen und neugierigen Reisenden. Dabei faszinieren mich ganz besonders Begegnungen bei der Fahrt per Anhalter, Navigation mit Karte und Grenzübertritte jeder Art.
Fast täglich schreibe ich auf diesen Reisen mit großer Hingabe in ein Journal. Mit meiner Kamera halte ich besondere Momente als Foto fest.

Dein Weg zu mir

Hinterlasse mir gerne einen Kommentar auf den Foto-Seiten: Egal ob Anregungen, Fragen oder Kritik – jedes Feedback von dir ist ein riesiger Motivationsschub für mich!

Gerne kannst du direkt mit mir Kontakt aufnehmen:
Du findest mein Projekt so stark, dass du mich unbedingt finanziell unterstützen möchtest? Dann gibt es tatsächlich eine Möglichkeit 🙂

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Launch der digitalen Ausstellung

Zeitgleich mit dem Beginn der analogen Ausstellung in der TurnVilla, startet heute auch die digitale Ausstellung auf dieser Website. Ab

Die Ausstellung ist eröffnet!

Seit heute sind die 11 Motive dieser Foto-Ausstellung in der TurnVilla des TV Emsdetten zu sehen! Außerdem hängen dort die